Ein futuristisch anmutender Wald, mysteriöse Waldbewohner und die Frage: Kann man sich im Paradies verlieren? Soviel sei vorweggenommen: Der Streifzug durch „Eden“ ist fabelhaft. Kommst du mit?
Was hat der Gesang einer Star-Sopranistin mit dem eines Wasserfalls zu tun? Ganz einfach: Das eine fließt in das andere – oder beides unsagbar schön ineinander, wenn man die Wunderkammer „Eden“ betritt. Im vorderen Raum ist nämlich die glanzvolle Performance von Jessye Norman zu hören, so ergreifend und kraftvoll, dass ihre Stimme bis in den nächsten Raum hallt, schwingt man den Vorhang dorthin auf…
Es ist dunkel und kühl – hier im „Eden“. Oder ist es nur der Wasserfall, der gleich zu Beginn in diesem Raum filmisch auf eine Leinwand stürzt, der dieses Gefühl von Kühle erzeugt? Im ersten Augenblick wirkt er – so ganz in Schwarz und Weiß – wie ein Röntgenbild. Aber nein, es ist ein Wasserfall, den man hier sieht, und auch nicht irgendeiner, sondern der Grawa-Wasserfall im Tiroler Stubaital. Er wirft sich aus 180 Metern kühn ins Tal und zerstäubt seine Kaskaden dabei in gewaltige Sprühnebel.
Auf direktem Weg ins Paradies
Ich folge dem Pfad in die Wunderkammer hinein. Das Wort „Eden“ stammt ursprünglich ja aus dem Griechischen und bedeutet Paradies. Und, genau, „Eden“ hieß auch der Garten, in dem Adam und Eva glücklich lebten (bis die böse Schlange um die Ecke bog), in dem also die Schöpfung und alles irdische Leben begann.
Garten ist es allerdings keiner, in den es jetzt geht, sondern ein Wald, der jedoch ebenfalls genau diesen Ursprungsgedanken in sich trägt. Denn er erinnert – häufig auch in volkstümlichen Geschichten und Sagen – an eine besonders archaische Verbundenheit des Menschen mit der Natur.
Werde ich mich verlieren?
„Wennst durch die Staberl durchgehst, findest nimma raus“, warnt ein ostösterreichischer Besucher gerade seine Frau, die belustigt lächelt. Mit den „Staberl“ ist die dichte Wildnis polierter Messingstangen gemeint, die für exakt 156 Bäume stehen. Aufgrund der spiegelverkleideten Wände dieser Wunderkammer vervielfältigen sie sich so genial, dass der abstrakte Wald unendlich tief zu sein scheint.
Ich nehme das Risiko auf mich, mich zu verlieren, und gehe nun bis hin zu einer verspiegelten Wand. Und siehe da, als ich direkt vor meinem Spiegelbild stehe, erkenne ich, dass man sich in diesem Wald nicht verlieren, sondern – ganz im Gegenteil – sich selbst ein gutes Stück näherkommen kann.
Ein bisschen schummrig ist es hier drinnen schon. Aber genau das umspielt den Wald auch mit einer besonderen Mystik und macht ihn auf zauberhafte Weise geheimnisvoll.
Mysteriöse Waldbewohner aus Kristall
Aber halt, was sitzt da in den Bäumen? Riesige Kristalle, grüne, violette, rote! Wie Leuchtfeuer blitzen sie durch die Dunkelheit und stellen – laut den beiden Künstlern, die sie erdacht haben – „fremde exotische Vögel oder Reptilien dar, Blumen oder Früchte, die einmal mehr für die gewaltige Schöpfungskraft und den Ursprung allen Lebens stehen“.
Diese sieben Kristallskulpturen sind grandiose Meisterwerke, sind sie doch mit bis zu 1,86 Metern die größten, die Swarovski jemals hergestellt hat. Ganze Stücke in einem wären so gar nicht möglich gewesen, mehrere Kristalle wurden daher mit einem von Swarovski entwickelten, unsichtbaren Kleber verbunden. Ihre Farben erhalten die Kristalle durch „Bedampfen“. Ein über Monate ausgetüfteltes Beleuchtungssystem im Raum verleiht ihnen ihren letztendlichen Glanz. Und schwer sind sie auch: bis zu 190 Kilogramm wiegen sie. Die Statiker hatten viel zu tun, bis jede Skulptur ihren endgültigen Platz in den Bäumen fand.
Bei einem Blick nach unten nehme ich auch die vielen Kristalle wahr, die dort dezent glitzern. Der Waldboden ist ein Unikat, also der erste kristallbesetzte Boden von Swarovski, den es gibt. Die Kristalle wurden in die noch feuchte Masse „andächtig eingestreut“, was im Video weiter unten gut zu sehen ist. Wunderschön ist dieser Vorgang, er stellte jedoch auch eine Herausforderung dar, weil Estrich und Kristalle so ineinander verschmelzen mussten, dass sich der Boden gut reinigen lässt.
Kongeniales Künstlerteam
Und natürlich schulde ich euch nun noch die Antwort auf die Frage: Wer steckt hinter der Idee von „Eden“, diesem magischen Zauberwald?
Es sind der Schwede Patrik Fredrikson und der Brite Ian Stallard, die als „Fredrikson Stallard“ schon lange mit Swarovski verbunden sind. Anlässlich des 15. Geburtstags des Swarovski Wasserschulprojekts haben sie das Kunstwerk „Prologue III“ im Garten des Riesen entworfen, in dem 8.000 tropfenförmige Kristalle funkeln. Auch den Eingangsbereich des Swarovski Kristallwelten Stores in Innsbruck haben Fredrikson Stallard künstlerisch gestaltet.
Auf die Frage nach den berühmten „drei Wünschen“ hat das vielbeschäftigte Designerduo einmal geantwortet: „Tage mit noch mehr Stunden und Wochen mit noch mehr Tagen. Dass wir etwas an die nächste Generation weitergeben können. Und dass wir weiterhin ehrgeizige Projekte umsetzen können, wo auch immer."
Möge den beiden – auch zur fortsetzenden Freude ihrer Bewunderer - eine gute Fee ihre Wünsche erfüllen. Vielleicht ja sogar eine, die bereits in dem von ihnen ersonnenen „Eden“ wohnt.
Serie: Die Wunderkammern in Nahaufnahme
In unserer Serie „Nahaufnahme“ werfen wir einen genaueren Blick in einige Wunderkammern – und dahinter! Freut euch auf interessante Background-Informationen, Spannendes zu den Künstlern und so manche Anekdote.