Perfekte Eltern in der Hochleistungsgesellschaft
Kann gezielte Förderung Kinder auch überfordern? Wieviel Unterstützung brauchen Kinder von ihren Eltern? Dieser Frage geht Erziehungsexpertin Margrit Stamm bei Gespräch im Riesen 2018 nach.
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Für die Digitalisierung gibt es keinen Stopp-Knopf. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Bildung von diesem Megatrend erfasst wird. Noch können wir den Wandel gestalten.
Die Zukunft ist digital. Weltweit haben die Menschen längst für sich entschieden: Digitalisierung eröffnet neue Chancen. Das belegt ihr Konsum- und Kommunikationsverhalten jeden Tag aufs Neue. Entsprechend machen Internet und Big Data auch vor unserem Bildungssystem nicht halt. Bildung verändert sich durch die Digitalisierung so tiefgreifend wie zuvor nur durch den Buchdruck oder die Schulpflicht: Zugangshürden werden abgebaut, Lerninhalte und -tempo auf den Einzelnen zugeschnitten, und es wird einfacher, sich im Dschungel der Bildungsangebote zurechtzufinden.
So wie die industrielle Revolution weit mehr als Produktionsprozesse verändert hat, kann die digitale Revolution nicht nur Lernprozesse, sondern auch gesellschaftliche Strukturen verändern. Wenn Internet-Unis Harvard für alle öffnen, Onlineplattformen personalisiertes Lernen für jeden ermöglichen und Big Data Traumkandidat und Traumjob zusammenbringt, dann geraten bisherige Eliten unter Druck: Bisher Abgehängte erhalten globalen Zugang zu guter und günstiger Bildung, Können zählt mehr als Titel und soziale Netzwerke sind für die Karriere wichtiger als persönliche Beziehungen.
Wilhelm von Humboldt, der große Bildungsreformer des 19. Jahrhunderts, wollte „Bildung für alle“ als Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben und schuf das allgemeine Schulwesen. Sein lange unerfülltes Ideal: Wer gut ist, kommt weiter, egal, wo er herkommt. Dieses lange unerfüllte Ideal kann im digitalen Zeitalter neue Schubkraft entfalten.
Wie das geht, zeigen zwei Beispiele aus den USA und Südamerika. 80 Prozent der Schüler an der David-Boody-Schule im New Yorker Stadtteil Brooklyn erhalten ein „free lunch“, ein kostenloses Mittagessen. Sie kommen aus einer sozial schwachen Familie, haben oft einen Migrationshintergrund und benötigen beim Lernen viel Unterstützung. Sie alle bekommen seit wenigen Jahren mit dem Konzept „New Classrooms“ einen persönlich zugeschnittenen Unterricht. Es setzt auf digitalisierte Lerneinheiten statt Frontalunterricht, um jeden auf seinem Wissensniveau abzuholen. In einem riesigen Raum, der sich über ein ganzes Stockwerk erstreckt, lernen etwa neunzig Schüler an wechselnden Stationen: Die einen schauen Videos, die anderen nutzen Lernsoftware, andere arbeiten in Gruppen oder sprechen mit dem Lehrer. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Schüler, die New Classroom nutzen, lernen eineinhalbmal so schnell wie das nationale Mittel.
In Uruguay hat die Regierung an allen öffentlichen Schulen für den Mathematik-Unterricht eine interaktive Lernsoftware eingeführt. Zu Beginn erfasst diese den individuellen Leistungsstand jedes Schülers und teilt ihm passende Übungen zu. Je nach Lernfortschritt werden die Lektionen anspruchsvoller, bei Problemen erklärt das System die Rechenfehler. So entstehen ganz persönliche Lernpfade: Der Schüler passt sich nicht mehr dem Lehrbuch an, sondern das Lernprogramm dem Schüler. Bettermarks heißt die Software, die Unter- und Überforderung, Langeweile und Lernstress reduzieren will. Lehrer werden dadurch nicht überflüssig. Im Gegenteil: Sie können sich mehr auf die einzelnen Schüler konzentrieren und dort helfen, wo es nötig ist. Nicht zuletzt bei Fragen des sozialen Miteinanders oder persönlichen Problemen.
Natürlich birgt digitale Bildung auch Risiken: Der Lerner hinterlässt deutliche Spuren im Internet; seine Daten können missbraucht werden. Der durchleuchtete Mensch, über dessen Bildungsweg Computeralgorithmen entscheiden und der zum Objekt von Wahrscheinlichkeiten wird – das klingt mehr nach George Orwells Überwachungsstaat als nach Wilhelm von Humboldts Bildungsideal. Gerade im Bewusstsein dieser Risiken sind wir alle gefordert, den digitalen Wandel aktiv zu gestalten. Denn für die digitale Revolution gibt es auch in der Bildung keinen Stoppknopf.
Damit wir die Daten beherrschen, statt von ihnen beherrscht zu werden, muss der rechtliche Rahmen für mehr Datensouveränität gesetzt werden. Um alle Schüler digitalkompetent und datensouverän zu machen, braucht es eine Qualifizierungsoffensive für Lehrkräfte – und klare Regeln, die Datenmissbrauch vermeiden.
Das Potenzial des digitalen Lernens zu heben, ist nicht nur eine pädagogische, sondern vor allem auch eine politische Aufgabe. Ohne kluge Steuerung droht Bildungserfolg künftig noch stärker von sozialer Herkunft abzuhängen: Kinder aus bildungsbürgerlichen Elternhäusern werden sich die Vorteile individuell zugeschnittener Bildung zunutze machen, die anderen von fragwürdigen Apps auf ihrem Smartphone vom Lernen abgehalten. Es ist an der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der digitale Wandel für mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit genutzt wird.
Ralph Müller-Eiselt von der Bertelsmann Stiftung war neben Digitalpionier Prof. Gerald Lembke einer der Vortragenden bei „Gespräch im Riesen“ am 29. September 2017 in den Swarovski Kristallwelten. Beide zeigten in ihren Impulsvorträgen gänzlich unterschiedliche Perspektiven in Bezug auf die moderne Wissensvermittlung und den Einsatz digitaler Technologien im Umgang mit Kindern auf. Lana Lauren (http://www.visolutions.at) machte die Inhalte der Referenten und Diskutanten mittels Graphic Recording sichtbar:
Auch wenn die Experten bei „Gespräch im Riesen“ zum Teil sehr konträre Zukunftsbilder entwarfen – einig zeigten sie sich in der Überzeugung, dass ein neues Zeitalter der Bildung angebrochen sei: iPads statt Schulbücher, intelligente Lernsoftware statt Frontalunterricht, selbstorganisiertes Lernen von personalisierten Inhalten statt traditionellem Lehrplan. So werde die Zukunft der Bildung immer öfter aussehen, auch wenn der Zugang zu Wissen im derzeitigen Schulalltag noch vielfach an feste Orte und vorgegebene Zeiten gebunden sei. Hier eine filmische Zusammenfassung von „Gespräch im Riesen 2017 – Die Zukunft des Lernens“:
Neugierig geworden? - Weitere Informationen zu „Gespräch im Riesen“ findest du auf unserer Website unter kristallwelten.com/gespraech.
Tipp:
Die Swarovski Kristallwelten bieten das ganze Jahr über ein umfangreiches Programm für Familien und Kinder, von Kinderworkshops bis zu museumspädagogischen Programmen für Kindergärten und Schulen.
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