Im Kristall spiegelt sich die ganze Welt. Das ist so schnell dahingesagt. Darin steckt aber viel mehr Wahrheit, als wir im ersten Moment denken. Eine Leserin des Kristallwelten Magazins wollte wissen, warum Kristalle für Raum und Ordnung stehen, was sie mit platonischen Körpern zu tun haben und wieso Häuser manchmal aussehen wie Kristalle. Spannende Fragen, aber ganz schön komplex!
Platonische Körper: Unendlichkeit inside
Beim Anblick von Kristallen denken Mathematiker sofort an die platonischen Körper. Warum? Weil Kristalle wie die platonischen Körper dreidimensional sind und (meistens) regelmäßige eckige Flächen haben.
Es gibt genau fünf platonische Körper: Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder. Ihre griechischen Namen beziehen sich auf die Anzahl ihrer Seiten: ein Tetraeder (oder Pyramide) hat vier Flächen, die Dreiecke sind. Ein Hexaeder (oder Würfel) hat als Flächen sechs Quadrate, ein Oktaeder hat acht Dreiecke, ein Dodekaeder zwölf Fünfecke, und ein Ikosaeder wird von zwanzig Dreiecken begrenzt.
Die platonischen Körper umschließen Räume nicht irgendwie, sondern absolut ordentlich. Wichtig ist, dass an jeder ihrer Ecken immer gleich viele Flächen und Kanten aufeinandertreffen und dass alle Ecken des Körpers gleich weit vom Mittelpunkt entfernt sind. Dadurch haben sie eine besondere Symmetrie, eine Zentralsymmetrie.
Von Schneckenhaus bis Galaxie
Jedes noch so komplexe physikalische Gebilde – von winzigen Schneckenhäusern bis zu riesigen Spiralgalaxien – lässt sich auf die platonischen Körper reduzieren und mit ihnen erklären, denn alles auf der Welt und im Universum besteht aus identen Mustern und Strukturen. Überall finden sich „platonische“ Regelmäßigkeiten wie Anordnungen von Atomen oder interne Symmetrien. Dies gilt für Kristalle, Metalle und sogar lebende Zellen.
Weil die platonischen Körper so symmetrisch sind, spiegelt sich in ihnen die Unendlichkeit – und sie sind Symbol für die gesamte Schöpfung und ihre Ordnung, die alles harmonisch verbindet. Das gilt auch für Kristalle, die ja oft genauso symmetrisch und planmäßig erscheinen wie die platonischen Körper und darum ebenfalls Symbole für Harmonie, Räumlichkeit, Gleichmaß und Vollkommenheit sind.
Gibt es "platonische" Kristalle?
Ja, aber nur annähernd. Manche in der Natur vorkommende Kristalle bilden die (idealisierten) Formen von platonischen Körpern (nur Tetraeder, Hexaeder und Oktaeder).
Und natürlich erinnern auch Swarovski Kristalle an platonische Körper. Ihre Schliffe sind ja an Präzision und Regelmäßigkeit nicht zu übertreffen.
Von Kristallen und platonischen Körpern geht eine Harmonie aus, die jeder von uns spürt. Kristalle haben aber noch weitere geniale Eigenschaften wie Transparenz, Reflexionskraft und Unvergänglichkeit. Darum sind sie für mich Symbole für Vollkommenheit, viel mehr aber noch für Klarheit, Fantasie und Unsterblichkeit. Designern und Künstlern – vor allem Architekten – geht es offenbar ähnlich.
Symbolische Architektur
Architekten lieben das Kristalline und nutzen seine gesamte Sinnbild-Palette aus: Jeder darf dann selbst seinen „tiefen“ Sinn darin entdecken – etwa ein Symbol für das kosmische Ganze, für die alles harmonisch verbindende Ordnung, für Liebe, Stärke oder Transparenz. Vielleicht vermutet ihr aber nur reinen Formalismus? Auch das ist gut möglich, oft zählt ja weniger die tiefere Bedeutung, als der sensationelle Effekt…
Kristalline Formen finden sich überall auf der Welt. Und wir ordnen ihnen gewisse Bedeutungen zu, die rund um den Globus und quer durch die Jahrhunderte erstaunlich ähnlich sind. Maria hat als Abschluss ihres Kunstgeschichte-Studiums nach langer Recherche und der Analyse unzähliger Beispiele eine Ordnung gefunden. Welche? Davon und von den Inhalten dieser Ordnung erzählt diese Blogserie.