Ein indisches Liebesrezept
Aufregende Farben, sinnliche Düfte und berauschende Musik machen diese Wunderkammer der Swarovski Kristallwelten zu einer einzigartigen Sinneserweiterung.
Täglich 9:00 - 19:00 Uhr,
Letzter Einlass 18:00 Uhr
Täglich 9:00 - 19:00 Uhr,
Letzter Einlass 18:00 Uhr
Ein unbekleideter Mann und eine kopflose Frau, tanzende Hosenbeine, fahrende Hemden, farbige Lichtspots und ein Soundtrack, der sich hören lassen kann: Im „Mechanical Theatre“ ist richtig was los. Bitte eintreten!
Hinweis: Mechanical Theater war bis Jänner 2020 in den Swarovski Kristallwelten zu sehen.
Ich löse mein Ticket, betrete die Swarovski Kristallwelten und steuere auf die erste Wunderkammer zu. Ein schwarzer Stoffvorhang, auf dem in silbrigen Buchstaben „Mechanical Theatre“ steht. Die Musik, die jetzt gerade aus dem Raum kommt, ist schaurig. Ich höre auch eine Art „eiliges Geknatter“ und bin im ersten Moment an die Geisterbahn in einem Vergnügungspark erinnert, den wir als Kinder oft besucht haben. Zu hören sind auch immer wieder entfernte Schreie und das Folgetonhorn (ich würde sagen) einer Polizeistreife, ziemlich „spooky“.
Beim Betreten des abgedunkelten „Mechanical Theatre“ ändert sich gerade die Musik. Sie wird das während meines Verweilens immer wieder tun, es sind verschiedene Arten von Musik, die hier situationsbedingt wechseln. Jetzt höre ich etwas sehr Getragenes, schön, erhaben. Das schaurige Gefühl von vorher weicht einer Form von erleichterter Berührtheit.
Ich bin seit der Eröffnung der Swarovski Kristallwelten im Jahr 1995 immer wieder durch diese fantastische Wunderwelt spaziert. Das „Mechanical Theatre“, das hier 2007 eingezogen ist, hat es mir schon immer angetan, ich habe mich dort dennoch meist nur kurz umgeschaut, vielleicht auch, weil es die erste Wunderkammer in den Kristallwelten ist und man hungrig immer zu schnell verschlingen will, was angepriesen wird. Heute ist es anders. Ich bleibe länger im Maschinentheater und nehme neben bereits Bekanntem auch faszinierende Details wahr.
Was ihr bereits wisst: Es ist der Multimediakünstler André Heller, der die Kristallwelten zum 100-jährigen Firmenjubiläum von Swarovski geschaffen hat. Was ihr vielleicht noch nicht wusstet: Er war es, der den heute 67-jährigen, britischen Künstler Jim Whiting ins Boot geholt hat, einen Technikfreak, der bereits als Fünfjähriger erste bewegliche Mechaniken bastelte und mit dem „Mechanical Theatre“ im Reich des Riesen eine Verbindung zu seiner eigenen Kindheit hergestellt hat.
Da er als kleiner Junge an Rachitis erkrankt war, musste er in der Nacht ein Stützkorsett aus Stahl und Leder tragen. Damit waren Angstträume verbunden, die sich irgendwann jedoch in eine Begeisterung für mechanische Konstruktionen verwandelten, die auch im „Mechanical Theatre“ eindrucksvoll zum Ausdruck kommt: Herzlich willkommen bei einer eigenwilligen, jedoch ausnehmend ästhetischen Fashionshow!
Da wären zuerst einmal die Hauptdarsteller, mitten im Raum, die an Schaufensterpuppen erinnern. Ein unbekleideter Adonis, der in einer Stahlkonstruktion lässig knapp unter der Decke posiert und regelmäßig in seine - im Inneren funkelnden - Bestandteile zerfällt, die wie von Geisterhand auch immer wieder zusammengefügt werden. Unter dem Adonis dreht eine „Walking Woman“ auf einem ringförmigen, kristallbesetzten Catwalk anmutig ihre Runden. Auch sie ist bis auf (ihr aufgemalte) rote Stöckelschuhe unbekleidet. Weil ihr Kopf und Arme fehlen, hat ihr Anblick etwas Gespenstisches.
Was hat sich Jim Whiting bei diesen Figuren gedacht? „Man kann Frauen und Männer aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten“, meint er in einem Interview. „Sie rein äußerlich wahrnehmen und sagen, das, was ich sehe, ist sehr schön. Wenn man jemanden jedoch innerlich kennenlernt, emotional, wird das Äußere weniger signifikant. Ich habe versucht, Mann und Frau hier äußerlich und innerlich darzustellen.“
Vor einem roten Vorhang, einer Theaterbühne gleich, wirbeln drei schwarze Hosen durch die Luft. Sie haben ihren großen Auftritt, der so präzise ist, dass sie wie menschliche Tänzer wirken, obwohl sie keine Körper haben. An den schlaksigen Roboterbeinen baumeln Socken und Schuhe. Auffallend sind auch die rot funkelnden Seitenstreifen an den Hosen, ein aktueller Modetrend.
Gleich nebenan sitzen zwei Herren im Frack bei Kaffee und Kuchen. Weiße Tischdecke, auch eine rote Rose steht dabei. Vielleicht kommen sie ja gerade vom Wiener Opernball. Ob das Aufgetischte den Herren allerdings schmeckt, ist fraglich. Ihre Gesichter sind blass und ihre Mienen versteinert. Und obwohl sich der Tisch immer wieder um die eigene Achse dreht und die Schwalbenschwänze der Fracks dabei fröhlich durch die Luft fliegen, macht das die beiden Herren nicht fröhlicher. Die Stimmung bleibt düster.
Das Scheinwerferlicht, das den rasanten Raum mit farblich wechselnden Spots immer wieder in ein stylisches Szenario taucht, verfolgt nun sechs weiße Hemden - etwas weiter dahinter trottet auch ein schwarzes Hemd -, die auf einer Seilkonstruktion unter der Decke durch den Raum fahren und mich an schaukelnde Gondeln erinnern. Und siehe da, ich liege mit meiner Interpretation gar nicht falsch! Jim Whiting erklärt nämlich dazu: „Meine Mutter war Schweizerdeutsche und schleppte mich als Kind immer wieder in die Schweiz, was ich gehasst habe, weil ich lieber in England geblieben wäre, um Dinge zu bauen. Aber ich liebte die Idee von Seilbahnen, diese Freiheit, über die Berge zu schweben. Und von dieser Idee wollte ich etwas umsetzen.“
Die Kristalle, die auf jedem Hemd anderswo sitzen, funkeln. Auch das üppig kristallbesetzte schwarze Hemd, das mich sofort an diverse Outfits von Michael Jackson denken lässt, die mit Swarovski Kristallen bestickt waren. Die flüssigen Bewegungen der fahrenden Truppe kommen jetzt besonders gut zum Ausdruck und spiegeln einmal mehr die herausragende „Magie der Technik“, die in diesem Raum das zentrale Thema ist.
Angeblich war so manches von dem, was sich Jim Whiting an Technik für seine Wunderkammer vorgestellt hatte, zu Beginn eher schwer vorstellbar. Die hochversierten Werkstätten von Swarovski spielten jedoch ihr ganzes feinmechanisches Know-How aus und machten möglich, was anfänglich unmöglich schien. Zur großen Freude der Besucher – und natürlich des Künstlers selbst. „Ich bin sehr glücklich“, sagte Whiting, als er sein fertiges Theater zum ersten Mal sah. „Wir wollten all das Technische zum Strahlen bringen, wie ein Schmuckstück, es ist wunderschön.“
In diesem Moment nimmt auch meine Nase etwas wahr, kann das sein? Ja, ein unaufdringlicher Duft zieht durch den Raum. Er ist Teil eines Duftkonzeptes, das für alle Wunderkammern der Kristallwelten eine individuelle Note vorsieht und diese „durch die somit multisensorische Erfahrung“ zum Leben erweckt. Im „Mechanical Theatre“ verschmelzen die zu diesem Raum sehr passenden Aromen von Bernstein, Zedernholz, Sandelholz, Moschus, Metallic und Lilie.
Jetzt wechselt auch gerade wieder die Musik. Sie ist nun rhythmischer, beschwingter als vorher und irgendwie so, also möchte sie mir noch schnell vermitteln, bevor es in die nächste Wunderkammer geht: Wenn dich das mitunter Schaurig-Schöne in diesem Raum vielleicht ein wenig verstört hat, alles halb so schlimm. Hier im glanzvollen Maschinentheater ist auch viel Platz für viel Leichtigkeit.
In unserer Serie „Nahaufnahme“ werfen wir einen genaueren Blick in einige Wunderkammern – und dahinter! Freut euch auf interessante Background-Informationen, Spannendes zu den Künstlern und so manche Anekdote.
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