Spielen, staunen und entdecken
Vor fast einem Jahr hat die Agentur Ravensburger individuelle Spielmodule für den Spielturm der Swarovski Kristallwelten entwickelt.
Täglich 9:00 - 19:00 Uhr,
Letzter Einlass 18:00 Uhr
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In der schier grenzenlosen Freiheit der vernetzten, digitalisierten Welt werden Kinder permanent mit Verlockungen, Ablenkungen und Narzissmus konfrontiert. Die renommierte Therapeutin Martina Leibovici-Mühlberger (spricht auch am 02. September bei „Analoge Eltern – Digitale Kinder" in Wattens) warnt vor einer neuen Generation von „Tyrannenkinder“. Sie ruft Eltern auf, in ihrer Erziehung Grenzen und Regeln deutlich durchzusetzen.
Ich hatte das Privileg, sie vorab zum Interview zu treffen. Und das, was ich dabei zu hören bekam, lässt nicht gerade zuversichtlich in die Zukunft blicken … Wäre sie neben ihren ganzen Jobs auch noch Lehrerin, würde auf dem kollektiven Zeugnis der jungen Leute wohl ein wenig schmeichelndes „Ungenügend“ stehen. Denn sie skizziert eine Generation, die nicht systemkompatibel ist, weil sie in der Erziehung weder Grenzen noch Regeln kennengelernt hat. Frustrationstoleranz ist ein Fremdwort und auch die sonstige Leidens- und Leistungsfähigkeit ist sehr begrenzt …
Frau Dr. Leibovici-Mühlberger, Sie sagen, „auf diese nächste Generation können wir nicht mehr zählen“.
Leibovici-Mühlberger: So ist es, denn sie hat nie gelernt sich einzuordnen, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Diese Kinder sind oft nicht belastbar. Schon vom Abitur müssen manche sich erstmal mit einem Jahr Auszeit erholen. Als Berufsanfänger kommen sie dann zu spät zum Dienst und am dritten Tag vielleicht schon gar nicht mehr ...
Das klingt allerdings mehr nach den „Gammlern“ und Leistungsverweigerern der Siebziger Jahre als nach „Tyrannen“.
L.-M.: Die „Tyrannenkinder“ sind nur eine Gruppe, die ich für den Buchtitel herausgehoben habe. Es gibt viele Arten von Problemkindern, die unsere Gesellschaft produziert. Die Tyrannenkinder sind zum Beispiel nicht in der Lage zu akzeptieren, dass auch einmal jemand anderer als sie im Mittelpunkt steht. Sie sind unzufrieden und auf Widerstand gepolt. Ebenso steigt die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die schon völlig frustriert oder gar psychisch krank sind. Aber egal, ob seelisch oder körperlich, immer mehr Kinder der nächsten Generation werden später, wenn sie eigentlich einmal die Leistungsbringer der Gesellschaft sein müssten, deren Leistungsempfänger sein.
Wir können also nicht deshalb „nicht auf sie zählen“, weil sie nicht wollen, sondern weil sie nicht können?
L.-M.: Richtig, allerdings wollen sie zum Teil auch nicht. Denn wer damit aufgewachsen ist, dass sich alles um ihn dreht, er immer alles gleich bekommt, der versteht es nicht, wenn eines Tages plötzlich Leistung von ihm verlangt wird. Der fühlt sich dem dann nicht gewachsen, fühlt sich im Stich gelassen. Ich erlebe viele solche Jugendliche in meiner Praxis. Oft haben sie keine Träume und Pläne. Warum? Weil sie sich nichts zutrauen. Stattdessen lautet ihr „Karriereplan“ zu erben oder sich vom Staat aushalten zu lassen.
Was ist der Grund dieser Misere?
L.M.: Viele Eltern trauen sich nicht mehr, ihre Kinder zu erziehen …Viele hätten Angst, die Kinder in ihrer Entwicklung und Entfaltung zu sehr einzuschränken und zu "beschädigen", oder aber auch durch ein allzu autoritäres Auftreten die Beziehung zu den Kindern zu beinträchtigen - Eltern sehen sich heute oft lieber als Freunde und Berater der Kinder, anstatt die Rolle des Erziehers zu übernehmen …Stattdessen geben sich viele Mütter und Väter dem totalen Förder-Wahnsinn hin - von der pränatalen Beschallung über die ersten Geigenstunden im Kleinkindalter bis hin zu Fremdsprachenkursen - eine komplette Über-Förderung der Kinder … Oder sollte man es besser Über-Forderung nennen? Ein regelmäßiges Nein und konsequente Regeln tun jedenfalls vielen Kindern wohl besser als das ganze Programm aus frühkindlicher Förderung und grenzenloser (Narren-)Freiheit.
Führt all das wenigstens zu den gewünschten Ergebnissen?
L.-M.: Nein. All das geht an der Entwicklungspsychologie der Kinder vorbei. Denn sie versäumen, wesentliche Kompetenzen und Sekundärtugenden zu erlernen – etwa Konzentration, Aufmerksamkeit, Selbstorganisation, Beharrlichkeit. Alles, was ihnen Selbstständigkeit verleiht – weil sie stets als Prinz oder Prinzessin behandelt worden sind.
Übertreiben Sie jetzt nicht ein wenig?
L.-M.: Keineswegs! Wenn Sie wüssten! Kindergärtnerinnen klagen mir: „Ich habe 25 Prinzen und Prinzessinnen in der Gruppe, die ich alle gefälligst individuell fördern soll. Ohne dass die Kinder irgendwelche sozialen Kompetenzen im Hinblick auf Gemeinschaft haben.“ Lehrer sagen mir: „Früher hatte ich drei bis vier Problemkinder pro Klasse. Heute habe ich eine gute Klasse, wenn drei bis vier Kinder keine Probleme haben!“
Gibt es eine Lösung?
L.-M.: Wir haben es nicht nur mit „Erziehungsbefangenheit“ der Eltern zu tun, sondern auch mit einer Führungssuche beim Kind. Häufig können Eltern die Wünsche des Nachwuchses, die meist vom kindlichen Narzissmus geprägt sind, von den wahren Bedürfnissen des Kindes nicht unterscheiden. Ganz wichtig ist aber zu erkennen, dass diese sogar meist in Widerspruch zueinander stehen. Die Folge ist bei vielen Eltern ein unsicheres Auftreten gegenüber dem Kind, wodurch sie wiederum ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Das aber ist fatal, denn eigentlich sucht das Kind Orientierung und erwartet glaubwürdige Autorität und Führung, auf die es sich verlassen kann.
Und wie finden unsichere Eltern zu Autorität und Führung zurück?
L.-M.: Für viele Eltern sind „Autorität“, „Führung“ und „Grenzen“ negativ belegt. Es geht hier aber nicht um Gehorsam und Autoritarismus. Autorität bedeutet nicht Machtausübung, sondern Führungsverantwortung. Das heißt, nicht einfach zu befehlen, sondern die Fähigkeit zur überzeugenden Anleitung zu entwickeln. Dabei setze ich meinem Kind altersadäquate Grenzen, weil ich im Gegensatz zu ihm Lebenserfahrung habe und vorausschauend denken kann. Ich lasse meinem Kind aber innerhalb dieser Grenzen einen gewissen Spielraum.
Im Laufe unseres Gesprächs erklärt die Ärztin, Mutter und Psychotherapeutin auch noch, wo ihrer Meinung nach die Wurzeln für dieses Dilemma liegen. Im unendlichen Streben nach Individualität und persönlicher Befreiung werden diese Werte nicht sozial, sondern narzisstisch gelebt. Das Motto lautet "Man lebt nur einmal" - koste es, was es wolle. Oberflächlich betrachtet geht es um Glück, Selbstverwirklichung und Lebensfreude, tatsächlich lastet aber auf Kindern sowie auf Eltern der Druck, sich wie ein optimiertes Produkt anzupreisen und zu vermarkten. Kinder werden somit eigentlich oft als "Projekt" betrachtet.
GESPRÄCH IM RIESEN "Analoge Eltern - Digitale Kinder"
Und was meint ihr, wenn man Frau Dr. Leibovici-Mühlberger nach dem Umgang mit neuen Medien fragt? Denkt ihr, sie plädiert für einen hemmungslosen Umgang ohne Limits oder doch eher für klar definierte Spielregeln, innerhalb derer sich die Kinder mit Handys, Tablets und Computer beschäftigen dürfen? Ihr habt eine Vermutung? Dann kommt doch am besten am 2. September zum "Gespräch im Riesen" in die Swarovski Kristallwelten und seht, ob ihr richtig getippt habt.
Wir freuen uns auf euch!