Frostig hat uns der Januar begrüßt. Eine dicke, weiche Decke hat sich um den Riesen und sein Reich geschmiegt. Funkelnd leuchten die Augen des Riesen, dem der Winter auch schon einen beeindruckenden, eisigen Bart hat wachsen lassen.
Mein Spaziergang führt mich aber erst später in sein magisches Inneres, zuerst möchte ich diesen wunderbar strahlenden Tag im Garten genießen. Wie aus einer anderen Welt streckt Glittering Wind seine „Bambusstäbe“ in den Himmel und tausende glitzernde Farbpunkte erinnern an eine Zeit, in der die bunten Farben unsere Umgebung prägen.
Jetzt aber wird das Auge durch monochromes Weiß geschont und die Sinne sind bereit, Eindrücke aufzunehmen, die uns sonst vielleicht verborgen blieben. Der Geruch des kalten Ostwindes zum Beispiel, die knirschenden Geräusche des Schnees unter den Füßen, feine Töne, Klirren, als ob sich Kristalle berühren, Vogelgezwitscher. Etwas überrascht stelle ich fest, dass es sich bei den zuletzt wahrgenommenen nicht um Naturgeräusche, sondern eine Klanginstallation handelt, die abwechselnd aus verschiedenen Richtungen zu kommen scheint. Die verzaubernden Laute lenken meine Aufmerksamkeit auf die imposante Kristallwolke. Nun in der Sonne funkeln die Schneekristalle auf der Wolke mit den „man-made“ Kristalltropfen um die Wette.
Wie ich so voranschreite zeigt sich mir dieses dynamische Gebilde einmal von unten, dann blicke ich wieder von oben darauf. Eine beglückende Erfahrung, die sonst wohl hauptsächlich Vielfliegern vorenthalten ist. Man könnte ewig verweilen und seinen Blick gefangen halten lassen von den leichten Bewegungen und Lichtbrechungen dieses Elements.
Cao Perrot: Kristallwolke mit Fireflies
Cao Perrot: Kristallwolke
Cao Perrot: Kristallwolke
Cao Perrot: Kristallwolke
Cao Perrot: Kristallwolke
Aber der Wind einerseits, die Klänge und Rufe von anderen Besuchern, die sich voller Freude mit Schnee bewerfen andererseits, bringen mich zurück in die Realität und mein Weg führt mich vorbei am „Kairos von Georgenthal“ von Martin Gostner. Dieser die Zeiten überdauernde Schrank erinnert an den wohl immer noch präsenten und vielgeschätzten Firmengründer.
Das nächste Werk, das mich fesselt, ist eine große, runde Fläche. Ein funkelnder Kreis mit tausenden blauen Kristallen bestückt. Es verweist auf die lebenswichtige Ressource Wasser und spielt nun mit diesem Element in seinen verschiedenen Erscheinungsformen – als vom Wind zum Schaukeln gebrachte Tropfen in „Prologue III“, sowie in seiner direkten Umgebung: Im Spiegelteich flüssig und gefroren, vermeintlich gasförmig in der Wolke und fest geworden auch in den Schneekristallen, die sich inzwischen in einer Schneewehe auf das monolithisch über den Park schauende Kunstwerk gesetzt hat.
Fredrikson Stallard: Prologue III
Fredrikson Stallard: Prologue III
Fredrikson Stallard: Prologue III
Fredrikson Stallard: Prologue III
Fredrikson Stallard: Prologue III
Kienzers „Parasites“ versteckt sich ganz im Schnee und nur noch einige verworrene metallene Stränge zeigen sich und erinnern an verdeckt Chaotisches, das verborgen auch nicht unangenehm ist.
Vorbei am Spielturm, dessen Glas ganz wunderbar die gleißende Bergwelt spiegelt, zieht es mich magisch über den schneebedeckten Weg hinauf in den Alpingarten und ich frage mich, warum noch niemand auf die Idee gekommen ist, diese Flächen zum „Rutschplattln“ zu nutzen…
Das Wasser gluckst über die freigewaschenen Steine und verschiedene Sträucher und Gehölze – inklusive der typischen Kiefer – halten in ihren Astgabeln weiße Kristallblüten. Hervor tritt Hans Magnus Enzensbergers „Augentrost“, der auf die Freiheit von Meinung, Wort und Schrift verweist und appelliert. An einem Tag wie diesem mag man diese Worte wirklich tröstend und optimistisch in sich aufnehmen.
Als nächstes Highlight erblicke ich das Labyrinth, ein Weg ohne Anfang und Ende, hier eine von André Heller und Gernot Candolini gestaltete „grün gewachsene“ Hand, die mir vielleicht in Enzensbergers Sinne symbolisch die Menschlichkeit vor Augen hält.
Ein starker Gegensatz dazu: „airs and graces“ von Georg Herold. Die kühn emporragenden Bronzehände, die in ihrer Materialität und Struktur die Zerrissenheit des einerseits Dynamischen, Kämpferischen und andererseits Innehalten und festhalten Wollens zeigen, lassen mich nachdenklich werden.
Auf dem Weg zurück zeigen sich mir wieder gänzlich andere Aspekte der Kunst: Kinder, die ihre Gesichter an Matta Wagnests „Ford Crystal Blue“ pressen und die testen, wie dieses labyrinthische Glaskunstwerk ihre Antlitze verzerren und so die Wirklichkeit verändern kann.
Bevor ich mich ins Restaurant Daniels Kristallwelten setze, diese vielfältigen, vielschichtigen und sinnlichen Eindrücke auf mich wirken lasse und mir einen wärmenden Tee und ein Stück besten Kuchens gönne, nur noch die Frage: Wird Berry Flanagans Hase, „der Wünschelroutengeher“, auf seiner Suche wohl fündig werden?
Weitere Informationen zu allen Installationen und Kunstwerken im Garten findet ihr >> hier
TIPP AUS DER REDAKTION: Wenn ihr euch ab kommenden Montag, 30. Jänner, auf Martinas Spuren durch den Garten des Riesen begebt, dürft ihr euch auf eine spektakuläre, mystische Welt aus Licht und Klang freuen! Täglich ab 17 Uhr.