Eines Tages erschien ein Schneiderlein auf der Wiese und setzte sich zu dem mittlerweile wirklich sehr unzufriedenen Riesen. „Du hast aber schlechte Laune, lieber Riese“, bemerkte das Schneiderlein, „darf ich fragen WARUM?“ Aber das ist doch offensichtlich“, platzte es aus dem Riesen heraus, „ich habe nichts anzuziehen. Im Winter, ja im Winter, da hatte ich zumindest eine Haube aus weichem Schnee. Und wenn die Sonne strahlte, dann, ja dann funkelte dieser wie aus unzähligen Kristallen. Und nun: Nichts als Wiese, etwas Gras und ab und zu sogar Matsch. Wie soll ich da gute Laune haben?“
„Darf ich mich vorstellen?“, antwortete da das Schneiderlein, „ich bin Nikolaus Zwirn, ein bekannter Schneider und spezialisiert auf Kristallkleider.“ Der Riese schaute erst ungläubig auf das Schneiderlein. Doch dann wurde er neugierig: „Willst du damit sagen, dass DU mir helfen kannst?“ „Aber natürlich!“, erwiderte Nikolaus.
Das Schneiderlein machte es sich auf der Wiese gemütlich. „Wo hast du Stoff und Nadel und Faden“, fragt der Riese. „Nur Geduld“, antwortet das Schneiderlein. „Nur Geduld! Schau, wie die Blumen auf der Wiese zu wachsen beginnen.“ Und der Riese sah auf die Gänseblümchen und Schneeglöckchen und auf die ersten Tulpen. Nach einer Weile flatterte ein bunter Schmetterling am Kopf des Riesen vorbei und setzte sich auf eine Blume.
Eine Biene summte ebenfalls herbei und noch eine und noch eine. Es dauerte nicht lange und die ganze Wiese war über und über mit Schmetterlingen, Bienen und Hummeln bedeckt. Und wenn am Morgen die ersten Sonnenstrahlen sich in den Tautropfen spiegelten, glitzerte die ganze bunte Frühlingswiese, so als wäre sie mit einem Teppich aus farbigen Kristallen überzogen. Der Riese war glücklich.
Als der kühle Westwind von seinem Kollegen Südwind abgelöst wurde und die Sonne höher auf dem Himmel wanderte, veränderte sich die Wiese. Schmetterlinge und Bienen kamen immer seltener vorbei und auch die Blumen hatten ausgeblüht und verschwanden langsam. Der Riese war erst überrascht und dann wurde er traurig. Sehr traurig. Da fiel ihm das kleine Schneiderlein wieder ein, das in der Zwischenzeit eine seiner Kammern unter der Wiese bezogen hatte. "Was ist nun eigentlich mit dem Kristallmantel, den du mir versprochen hast?", fragte er leicht verärgert und ziemlich ungeduldig, "oder bist du etwa doch kein so großer Schneider wie du immer behauptest?"
"Augenblick! Ich komme!", rief das Schneiderlein vergnügt, schlüpfte aus seiner Höhle und setzte sich zum Riesen. Von einem Kristallkleid fehlte jede Spur und als der Riese erneut danach fragte, bekam er lediglich zur Antwort: „Geduld, nur Geduld!“