James Turrell ist der Meister des Lichts und einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Umso faszinierender, dass sich gleich drei seiner Lichträume im Alpenraum befinden. Eine Spurensuche anlässlich des 80. Geburtstags des „Meisters des Lichts“ am 6. Mai 2023.
Eine Anekdote aus seiner Kindheit erzählt von einem jungen James, der kleine Löcher in Verdunkelungsplanen vor dem Fenster sticht und damit einen Sternenhimmel an die gegenüberliegende Wand malt. Seine intensive künstlerische Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung von Licht begann in den 1960er Jahren, und gipfelt heute in immersiven Lichträumen, in denen Licht, Schatten und Farbe spürbar, vermeintlich greifbar werden.
Erfahrene Turrell-Fans erkennt man an der Art und Weise, wie sie der Lichterfahrung begegnen. Unser erster Impuls beim Betreten eines unbekannten Ortes ist es, die Grenzen des Raumes auszuloten. Wer diesen Impuls loslässt und sich nun darauf einlässt, wie die Lichtfarbe den Raum füllt, wie sie atmet und fließt, nimmt die unterschiedlichen Effekte wahr: Die Luftqualität scheint sich zu ändern, es wird diesig und wieder klar. Ecken lösen sich vollkommen auf, die Silhouetten der anderen Betrachter leuchten in Kontrastfarben. Turrell selbst besteht darauf, dass seine Kunst keine Vorbereitung, kein Vorwissen benötigt. "The work that I make has very little preparation in terms of knowledge of other art or history, but it is about the experience of the seeing itself. "
In der Wüste Arizonas arbeitet James Turrell seit Jahrzehnten an seinem Lebenswerk, dem Roden Crater. Weitaus näher lassen sich drei unterschiedliche Lichträume von James Turrell in einem Kurzurlaub entdecken, der uns in die Alpen führt: Die Ganzfeld-Lichtinstallation „A CHAPEL FOR LUKE and his scribe Lucius the Cyrene“ im Diözesanmuseum Freising, der Shallow Space „Umbra“ in den Swarovski Kristallwelten Wattens und der Skyspace Lech am Arlberg laden zu spektakulären Lichterlebnissen ein.
Swarovski Kristallwelten
"Umbra" heißt der Shallow Space von James Turrell, der 2022 in den Kristallwelten eröffnet wurde. James Turrell über seine Intention hinter dem Raum: "Umbra ist das Licht, das sich im sanften Schatten widerspiegelt. In einer Mondfinsternis wird das Licht weicher, es scheint nicht mehr so stark wie die direkte Reflexion des Lichts durch den Mond. Es ist ein weiches, erfüllendes Licht, das ich sehr schätze. Beim Betrachten dieses Raumes liegt der Fokus nicht auf dem Licht, das die Kante umringt, sondern auf der Weite, dem Panorama des sehr sanften Lichts der Reflexion im Raum."
DIMU Freising
Im Diözesanmuseum Freising, hoch auf dem Domberg, richtet sich der erste Blick beim Betreten des Museums auf den Eingang des sogenannten Ganzfeldes, der wie ein von Licht erfülltes Gemälde wirkt. Im Inneren des Raumes sind Besucher:innen von Licht umgeben, verlieren die Tiefenwahrnehmung und das Gefühl für Raumgrenzen. Die für Turrell typische, perfekte architektonische Ausrichtung verleiht das Gefühl, das gesamte beeindruckende Gebäude sei um das Licht gebaut. Die Blickachse führt zum Freisinger Lukasbild, das dem Werk auch seinen Namen verleiht: „A CHAPEL FOR LUKE and his scribe Lucius the Cyrene“.
Skyspace Lech am Arlberg
James Turrell persönlich wählte aus mehreren möglichen Standorten einen Hügel im Ortsteil Oberlech aus, der nach einem kurzen Spaziergang - oder, in der Wintersaison, direkt per Ski - erreichbar ist. Den Skyspace selbst betritt man durch einen Tunnel, der die Sichtachse in die Alpen vorgibt. Der runde Raum aus schwarzem Granit hat einer Öffnung zum Himmel und strahlt schon tagsüber eine meditative Ruhe aus. Zum Sonnenaufgang und Sonnenuntergang läuft ein Lichtprogramm mit faszinierendem Effekt: Sanft, nahezu fließend, verändert sich beim Betrachten der Öffnung die Farbe des Himmels.
Das Turrell Dreieck
Sie fragen sich nun: Warum sollte ich mir drei Kunstwerke des selben Künstlers ansehen?
Ein berechtigter Einwand, ist es doch schwer vorstellbar, dass sich diese Lichterfahrungen nicht stark ähneln. In Wattens, Lech am Arlberg und Freising offenbart sich jedoch auf engstem Raum, warum James Turrell einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart ist - und warum man von unterschiedlichen Werkstypen spricht. Ein Shallow Space ist kein Ganzfeld ist kein Skyspace: Mit der intensiven Erfahrung mehr als eines Raumes offenbart sich die Bedeutung der Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung. Wir realisieren, wie unser Seh-Sinn vermeidliche Fehler korrigiert und uns damit selbst austrickst - im Kontext der Umgebung, des Besucherflows oder des Wetters wird jeder Besuch einzigartig.
Wer nun neugierig geworden ist, plant einen Turrell Kurzurlaub in den Alpen: Von Wattens aus sind Lech am Arlberg oder Freising jeweils in circa 2 Stunden Fahrtzeit erreichbar. Es ist also möglich, alle drei Turrells an einem Wochenende zu besuchen. Beachten Sie bei Ihrer Reiseplanung die Öffnungszeiten der drei Standorte, und planen Sie Lech möglichst zum Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang ein.
Eine Warnung: Die Faszination kann schnell zur Obsession werden. Glücklicherweise gibt es noch zahlreiche weitere Turrells auf der ganzen Welt, die nur auf Sie warten ... wie Sie zum Beispiel hier sehen - James Turrell's Art in the most unlikely corners in the world.